Der Mann, der die Ozeane bezwingt
29.08.2025 RegionalesJosef Köberl sucht die Extreme im Wasser: Eisschwimmer, Rekordhalter und Abenteurer. Sein größtes Ziel sind die Oceans Seven – sieben legendäre Kanäle rund um die Welt.
Der Wind heult über die Bucht, die See ist unruhig. Ein Boot zieht ...
Josef Köberl sucht die Extreme im Wasser: Eisschwimmer, Rekordhalter und Abenteurer. Sein größtes Ziel sind die Oceans Seven – sieben legendäre Kanäle rund um die Welt.
Der Wind heult über die Bucht, die See ist unruhig. Ein Boot zieht langsam seine Bahn, daneben ein Mann in Badehose, Schwimmhaube, Brille. Arme tauchen ins Wasser, wieder und wieder, wie ein Uhrwerk. 35 Kilometer trennen ihn von der Küste Schottlands – eine ganze Nacht im Meer, gegen Strömung, Müdigkeit, Dunkelheit. Der Mann heißt Josef Köberl. Und er hat ein großes Ziel: die Oceans Seven zu bezwingen.
Kindheit am Grundlsee
Aufgewachsen ist der 48-Jährige in Grundlsee. Das Ausseerland, eine Region, wo Wasser allgegenwärtig ist, wo Seen zwischen Bergen glitzern und Nebel im Herbst über die Wiesen zieht. Heute lebt er in Wien, arbeitet im Infrastrukturministerium. Ein Leben zwischen Aktenordnern und Familienalltag – und doch sucht er immer wieder die extreme Grenze. Zum Eisschwimmen kam er durch Zufall. 2011 las er in einer regionalen Zeitung von einem Wettbewerb, dem Durchschwimmen des Hallstättersees. „Ich war kein guter Schwimmer, habe mir aber gedacht: Ich probier’s“, erzählt er lachend. Mit Neoprenanzug wagte er den Sprung ins kalte Wasser – und stieg als einer der Letzten wieder aus. „Die anderen haben geglaubt, dass ich ein bisserl ein Trottel bin.“ Doch Köberl erlebte dabei etwas, das sein Leben veränderte: den Flow. „Ich hatte plötzlich dieses schwerelose Gefühl und war ganz bei mir selbst. Da habe ich beschlossen: Das möchte ich öfter haben – aber mit einem großen Ziel. Ich schwimme den Ärmelkanal.“ Köberl begann, sich an die Temperatur heranzutasten. Herbst, Winter, Schneefall, Grundlsee. Sein Körper lernte, mit der Kälte zu arbeiten, sein Geist, sie anzunehmen. 2015 war es so weit: Der Ärmelkanal, 34 Kilometer von Dover nach Calais, 15 bis 18 Grad Wassertemperatur. Es sollte nicht das letzte Abenteuer bleiben.
Die Oceans Seven –„Everest“ der Schwimmer
Sieben Kanäle, über die Welt verstreut. Wer sie alle meistert, gehört zu sehr wenigen Menschen weltweit. Für Bergsteiger sind es die Seven Summits, für Langstreckenschwimmer die Oceans Seven: Nach dem Ärmelkanal 2015 folgte 2023 die Straße von Gibraltar (14 Kilometer von Spanien bis Marokko). Im Frühjahr des heurigen Jahres ging es nach Neuseeland. Ziel war die 23 Kilometer lange Cookstraße. Köberl war der erste Österreicher, der diese Herausforderung meisterte. Vor wenigen Wochen dann der Nordkanal von Irland nach Schottland: Ursprünglich 35 Kilometer, durch die starke Strömung und den vielen Quallenkontakten wurden es schließlich 41 Kilometer.
Schon bald nimmt er den Catalina-Kanal mit 34 Kilometer in Angriff „Ich starte am 23. September um Mitternacht auf Santa Catalina Island und hoffe, am nächsten Mittag in Los Angeles anzukommen.“ Schon im kommenden Sommer will er in Japan starten: Die Tsugaru-Straße ist zwar nur 18 Kilometer breit, doch die Strömung kann die Distanz auf 40 Kilometer verlängern. „Schwimmen darf man dort nur im Juli oder August, zwischen Voll- und Neumond, wenn die Gezeiten schwach sind. Sonst ist die Strömung zu stark.“ Nächstes Jahr im Herbst steht Hawaii am Programm. Im Kaiwi-Kanal geht es 44 Kilometer durch tropisches Warmwasser. Für Köberl paradoxerweise die größte Herausforderung: „Warmwasser liegt mir überhaupt nicht. Das wird schwer für mich.“ Vier Kanäle hat er schon hinter sich, der fünfte steht unmittelbar bevor.
Beim Schwimmen hat Köberl immer einen Tracker dabei, damit Interessierte seine Abenteuer live mitverfolgen können. „Das pusht mich zusätzlich: Zu wissen, dass die Menschen mitfiebern und mit dabei sind.“ Der Link wird wenige Tage vor seine Abenteuern auf seiner Facebook- und Instagramseite sowie auf der Webseite bekanntgegeben.
Im Bann der Extreme
Nicht nur die Meere ziehen Köberl an. Am Hintertuxer Gletscher schwamm er 1511 Meter in einer Eisspalte – das Wasser unter null Grad, die Körperkerntemperatur fiel auf 27 Grad. „Das war haarig, da siehst du nur mehr Blitze, du verlierst dich fast.“ Trotzdem sucht er immer wieder die Grenze. 2020 stand er in einer gläsernen Kabine in Melk, umhüllt von Eis, und stellte den Weltrekord für den längsten Ganzkörperkontakt mit Eis auf. Was Köberl noch gerne machen würde: Den Grundlsee im Winter bei unter fünf Grad zu durchschwimmen und nochmal am Hintertuxer Gletscher eine längere Distanz zu absolvieren.
Warum tut man sich das an? „Die Kälte zwingt dich, ganz bei dir zu sein. Du spürst Angst, Vorfreude, Euphorie. Dein Körper schüttet Hormone aus, Dopamin, Adrenalin, Endorphin – eine bunte Mischung an Botenstoffen.“ Für ihn ist Eisschwimmen mehr als Sport – es ist Lebensschule.
„Du musst lernen, auf deinen Körper zu hören. Der Umgang mit dir selbst ist entscheidend.“ Gleichzeitig schwärmt er von den gesundheitlichen Effekten: weniger Entzündungen, stabilerer Blutdruck, Linderung bei Depressionen. „Aber immer vorsichtig, langsam reingehen, nie zu lange bleiben und unbedingt mit dem Arzt abklären“, rät er Anfängern.
Mehr als Rekorde
Wer denkt, es gehe Köberl nur um Rekorde, irrt. „Mich reizt das Abenteuer drumherum. Die Vorbereitung, die Unsicherheit, die Orte, die du noch nie gesehen hast.“ Ob der Nordkanal oder die Cookstraße: Jedes Abenteuer ist eine Mischung aus Planung, Improvisation und purem Durchhalten. „Wenn du ins Eiswasser gehst, bricht der Strom der Gedanken ab. Du bist präsent. Der Moment gehört dir.“
Köberl bietet auch Kurse an, unter anderem in Wien, teilweise im Ausseerland. Zwei Termine hat er bereits verraten: Am 9. November 2025 und am 4. Jänner 2026 wird es wieder Workshops direkt am Grundlsee geben. Interessierte können sich unter www.josefkoeberl.atinformierenund anmelden.